Ich war gerade auf der »Insel« in London, als die Berichterstattung über Corona und die entsprechenden Gegenmaßnahmen in China kräftig an Fahrt aufnahm. Schon wieder ein Virus? Nach SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Zika-Virus, EHEC, MERS, Ebola und so weiter wird dieses Jahr wieder eine neue Virus-Panik geschürt? Die Berichte aus China und vor allem die Berichte in den nicht offiziellen Medien aus China deuteten darauf hin, dass es diesmal anders kommen könnte.
Deswegen haben wir noch von London aus versucht eine Verknüpfung von Viren, Wirtschaft und Börse herzustellen und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Es gab am Ende nur die Spanische Grippe (1918–1920), deren Ausmaß derart enorm war, dass man für die globalen Börsen Angst hätte haben müssen. Eine kleine Bemerkung am Rande: Die Spanische Grippe hatte Ihren Ursprung übrigens sehr wahrscheinlich in den USA. Über die Medien wurde wegen des ersten Weltkriegs aber eine Nachrichtensperre über die Meldungen der Grippe verhängt. Nur die spanischen Medien berichteten darüber – deswegen nennt man sie bis heute »Spanische Grippe«.
Bei allen anderen Pandemien waren die absoluten Fallzahlen, bzw. die Zahlen der daran Gestorbenen im globalen Kontext nicht so dramatisch, als dass man deswegen hätte Panik bekommen müssen. Die mit Regelmäßigkeit auftretenden Influenza-Epidemien erreichen zwar sowohl hohe Fallzahlen als auch viele Tote, aber eine deswegen regelmäßig auftretende Panik an den Kapitalmärkten gibt es nicht.
Trotz allen »Grummelns in der Magengrube« und der Verwirrung über die Berichte aus Wuhan, konnten wir nicht den Verkauf aller Risikopositionen – sprich Aktienfonds – ernsthaft in Erwägung ziehen. Viel wahrscheinlicher war es, dass die Epidemie bis Mitte März einen Höhepunkt erreichen würde, dann wieder abflaut und wenige Wochen später aus dem allgemeinen Gedächtnis verschwinden würde. So zumindest war unsere Einschätzung Mitte / Ende Januar 2020. Zunächst schien sich dies auch zu bestätigen.
Heute wissen wir, dass wir damit falsch lagen – nicht nur wir – auch alle anderen. Vor allem natürlich diejenigen, die sich überhaupt nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. An den Börsen begann eine beispiellose Panik. Noch nie in der Geschichte gab es – ausgehend von frischen Allzeit-Hochpunkten – einen schnelleren und tieferen Fall!
Zwar gab es lange »Bärenmärkte« – also Baissen – während derer die Kurse binnen mehrerer Monate und Jahre viel tiefer gefallen sind, aber dass die globalen Aktienmärkte in wenigen Handelstagen von den jeweiligen Tops weg so schnell und so dramatisch gefallen sind, das gab es bisher in der Geschichte tatsächlich noch nicht.
Um das zu veranschaulichen, nachfolgend ein Chart des amerikanischen S&P500-Index über 60 Jahre (!).
Im oberen Teil sehen Sie den Index, darunter verschiedene statistische Berechnungen, die sich allesamt aus den Kursen selbst berechnen. Wir möchten nicht näher auf die Indikatoren im Einzelnen eingehen – wir möchten nur aufzeigen, wie stark diese kurze, heftige Bewegung Ende Februar bis Mitte März 2020 wohl im historischen Vergleich gewesen sein muss, wenn die Indikatoren allesamt derart extrem ausschlagen:
Wie wird es weiter gehen mit dem Virus und dem öffentlichen Leben?
Betrachten wir zunächst mal die offiziellen Daten zur Sterblichkeit in Europa:
Wie leicht zu erkennen ist, ergeben sich am rechten Rand der Grafiken deutliche Steigerungsraten – vor allem bei den über 65-jährigen. Wenn Sie diese Grafiken und Daten näher interessieren, können Sie diese selbst abrufen und auch bis auf die Ebene der einzelnen Länder betrachten.
Ja, es sterben aktuell mehr Leute als statistisch üblich. Richtig ist aber auch, dass bisher noch nicht mehr Leute verstorben sind, als bei den anderen Grippewellen. Vermutlich haben Sie auch schon gehört oder gelesen, dass das mit den Corona-Todesfallzahlen so eine Sache ist. Tatsächlich scheinen nicht alle wegen Corona gestorben zu sein, sondern »nur mit Corona«. Fakt ist aber auch, wie man an dieser Grafik sehen kann, dass die Todesfallzahlen tatsächlich steigen. Und das, bei relativ niedrigen Fallzahlen im Verhältnis zur Bevölkerung. Insofern ist es nachvollziehbar, dass man aller Kritik über die Statistik zum Trotz eine großflächige Verbreitung verhindern will.
Italien, Frankreich, Spanien und Deutschland kommen zusammen auf eine Bevölkerung von ca. 257.000.000 Menschen. Hier gab es in Summe (per 13.04.2020) 587.385 Corona-infizierte. Das macht 0,228% der Gesamtbevölkerung. Die ersten Studien deuten darauf hin, dass die Dunkelziffer »nur« in etwa bei dem Faktor 3 liegen dürfte – womit in Summe bisher 0,686% der Bevölkerung infiziert wären.
Da darf man sich schon fragen, wie das weiter gehen soll.
In den vier Ländern zusammen gab es in den letzten Tagen im Schnitt grob gerundet täglich 20.000 Neuinfizierte. Die Zahl ist bereits DEUTLICH zurück gegangen, weil die Ausgangsbeschränkungen offensichtlich wirken.
Eine »Austrocknung« des Virus scheint auf globaler Ebene aber nicht möglich zu sein – wie die wieder aufflackernden Fallzahlen in China und Korea vermuten lassen.
Lassen wir es für die weitere Berechnung aufgrund der Dunkelziffer mal 60.000 Neuinfizierte pro Tag in diesen vier Ländern sein. Wie lange wird es dann dauern, bis ein deutlicher Anteil – sagen wir mal ein Drittel oder gar zwei Drittel aller Bürger – infiziert sind? Wir rechnen also:
- 257.000.000 x 0,33 = 84.810.000
- 257.000.000 x 0,66 = 169.620.000
Das wären die Bürger, die sich erstmal infizieren müssten, wenn wir auf eine »Durchseuchung« warten müssen, solange es keine Impfung gibt. Von beiden Zahlen ziehen wir jeweils 2.000.000 ab – das ist grob aufgerundet die Zahl der aktuell Infizierten multipliziert mit dem Faktor der Dunkelziffer.
Die Ergebnisse teilen wir jetzt jeweils durch 60.000 – die Anzahl der geschätzten Neuinfizierten pro Tag.
Bei dem Ziel 82.810.000 ergeben sich 1.380 Tage, bei Ziel 167.620.000 sind es 2.794 Tage.
Wir sprechen also über einen Zeitraum 3,8–7,7 JAHREN!
In unserem Report vom 11.03.2020 haben wir bereits angedeutet, dass es viel länger dauern wird, als wir uns das vorstellen mögen. Man kann also nur hoffen, dass schnell eine wirksame Impfung verfügbar ist.
Natürlich ist das nur eine stark vereinfachte Rechnung. Wir sind auch keine Virologen oder Pandemie-Spezialisten. Aber eines wird klar: So viel Sinn wie die »Abflachung der Kurve« macht, so extrem ist die zeitliche Ausdehnung, die sich mit dieser Abflachung ergibt. Leider wurde der Faktor Zeit in den vielen »Abflachungsgrafiken« in den Medien gar nicht beachtet oder nur marginal dargestellt.
Wir können und wollen an dieser Stelle keine politische oder ethische Diskussion lostreten oder irgendwelche Handlungsempfehlungen für den Umgang mit der Pandemie geben. Wir müssen »nur« versuchen abzuschätzen, was die Folgen für Wirtschaft und Börsen sein werden.
Die Realität wird vermutlich ein »Drehen an mehreren Schrauben« mit sich bringen. Also ein Aufbau von Bettenkapazitäten, eine langsame und schrittweise Lockerung von Maßnahmen in Verbindung mit allerlei Schutzvorschriften und Begrenzungen von Personenansammlungen, besondere Vorschriften für besondere Personengruppen und Ähnliches.
An eine rasche Rückkehr zu einer Normalität, wie wir sie vor Corona kannten ist bei Weitem nicht zu denken – solange kein Impfstoff oder Behandlungsmittel für die breite Masse zur Verfügung steht.
Was geschieht auf politischer Ebene?
Bisher waren die Entscheidungen der Politik im Wesentlichen absolut absehbar und logisch. Auch und vor allem im Hinblick auf die Wirtschaft haben wir im letzten Report bereits beschrieben, dass die Politik nach der umfassenden und kostenintensiven Bankenrettung (oder sollten wir schreiben »sogenannten Bankenrettung« ?) der letzten Dekade jetzt kein Argument mehr hervorbringen kann, dass die Politik diesmal untätig bleiben könnte.
Und genau das ist geschehen. Die Politiker und Notenbanker haben weltweit beispiellose Maßnahmen ergriffen. Wir haben eigentlich gedacht, dass irgendwo in den großen Analystenabteilungen der Investmentbanken und bei den Wirtschaftsberatern jemand sitzt, der uns die Arbeit abnimmt, aber leider haben wir auch nach längerem Suchen niemanden gefunden, der uns eine Aufstellung der Maßnahmen zur Verfügung stellen konnte – ganz einfach weil niemand eine solche Aufstellung gemacht hat.
Deshalb haben wir uns eben selbst hingesetzt und eine solche Aufstellung erarbeitet. Wir haben zur Erstellung der Liste auf tägliche Veröffentlichungen zurückgegriffen, die relativ einfach und strukturiert abzuarbeiten waren. Was auf den ersten Blick auffällt ist, dass zum Beispiel aus Frankreich gar keine Daten in diesen Quellen waren und die Daten zu Italien, China, Italien und Spanien jeweils nur rudimentär sind. Obwohl unsere Auflistung sicherlich nicht vollständig ist, hat uns die Anzahl, das Volumen und die Varianten der Maßnahmen überrascht.
Liste der weltweiten Maßnahmen zur Unterstützung und Rettung der Wirtschaft und Bevölkerung wegen Corona:
Über 60 Maßnahmen rund um den Globus finden Sie nun in dieser Übersicht!
Summen | 9.842,2 | 6.776,5 | |||
---|---|---|---|---|---|
umgerechnet in Mrd. US$ | |||||
Datum | Land | Maßnahme | Zinsschritt | geplant | beschlossen |
03.03.2020 | Australien | Zinssenkung von 0,75% auf 0,5% | -0,25 % | - | - |
12.03.2020 | Australien | Hilfspaket | 10,0 | - | |
13.03.2020 | Australien | Erhöhung der Liquidität durch Zentralbank 8,8 Mrd AUD | - | 5,4 | |
18.03.2020 | Brasilien | Zinssenkung von 4,25% auf 3,75% | -0,50 % | - | - |
18.02.2020 | China | Zinssenkung 1-jährige Kredite von 4,15% auf 4,05% | -0,10 % | - | - |
18.02.2020 | China | Zinssenkung 5-jährige Kredite von 4,8% auf 4,75% | -0,05 % | - | - |
19.02.2020 | China | Streichung von Zussatzzöllen auf 700 US Produkte | - | - | |
24.02.2020 | China | Sonderhaushalt | - | 15,6 | |
12.03.2020 | China | Senkung der Mindestreserven der Banken | - | - | |
27.03.2020 | China | Finanzpolitische Maßnahmen | - | 344,0 | |
30.03.2020 | China | Zinssenkung von 2,4% auf 2,2% | -0,20 % | - | - |
30.03.2020 | China | Zur Verfügung stellen von Liquidität | - | 7,0 | |
30.03.2020 | China | Abschirmung von kleinen Unternehmen | - | - | |
22.03.2020 | Deutschland | Nachtragshaushalt | 171,9 | - | |
22.03.2020 | Deutschland | Hilfe für Firmen | 660,0 | - | |
25.03.2020 | Deutschland | Nachtragshaushalt 156,3 Mrd. Euro und Hilfe für Firmen 600 Mrd. Euro | - | 831,9 | |
31.03.2020 | Deutschland | StartUp Hilfen | - | 2,2 | |
10.03.2020 | EU | Hilfsfonds für anfällige Branchen | 27,5 | - | |
16.03.2020 | Eurozone | Bürgschaften und Steuervorteile für Unternehmen in Höhe von >10% des BIP | - | - | |
16.03.2020 | Eurozone | unbegrenzte Hilfen zugesagt, 1% des BIPs bereits investiert | - | - | |
18.03.2020 | Eurozone | EZB wird Anleihen über mindestens 750 Mrd. Euro kaufen | - | 825,0 | |
11.03.2020 | GB | Zinssenkung von 0,75% auf 0,25% | -0,50 % | - | - |
17.03.2020 | GB | Planung: Hilfspaket 360 Mrd. Euro + unlimitiert | - | 396,0 | |
19.03.2020 | GB | Zinssenkung von 0,25% auf 0,1% | -0,15 % | - | - |
26.02.2020 | HongKong | jeder Bürger soll 1.300 US$ bekommen | - | - | |
04.03.2020 | HongKong | Zinssenkung von 2,0% auf 1,5% | -0,50 % | - | - |
13.03.2020 | HongKong | HelikopterGeld 10.000 HKD pro Person (1.150 Euro) | - | 9,7 | |
27.03.2020 | Indien | Zinssenkung von 5,15% auf 4,40% | -0,75 % | - | - |
13.03.2020 | Indonesien | Erhöhung der Liquidität durch Zentralbank | - | - | |
20.03.2020 | Indonesien | Zinssenkung Leading Facility Rate von 5,5% auf 5,25% | -0,25 % | - | - |
02.03.2020 | Italien | Unterstützungspaket | - | 4,0 | |
09.03.2020 | Italien | Ausweitung des Defizits auf 2,8% des BIP | - | - | |
16.03.2020 | Italien | Verbot von Leerverkäufen | - | - | |
09.03.2020 | IWF | Corona-Hilfen für betroffene arme Länder | - | 50,0 | |
16.03.2020 | Japan | Kaufvolumen für Fonds erhöht | - | - | |
19.03.2020 | Japan | Konjunkturpaket | 278,0 | - | |
07.04.2020 | Japan | Konjunkturprogramm | - | 1.010,9 | |
04.03.2020 | Kanada | Zinssenkung von 1,75% auf 1,25% | -0,50 % | - | - |
15.03.2020 | Kanada | Zinsenkung von 1,25% auf 0,75% | -0,50 % | - | - |
18.03.2020 | Kanada | Hilfsprogramm 27 Mrd CAD und Steuerstundungen 55 Mrd CAD | - | 59,4 | |
27.03.2020 | Kanada | Zinsenkung von 0,75% auf 0,25% | -0,50 % | - | - |
18.03.2020 | Österreich | Hilfspaket | - | 41,8 | |
01.04.2020 | Russland | Hilfspakete | 17,6 | - | |
16.03.2020 | Schweiz | Intervention am Devisenmarkt durch Notenbank | - | - | |
25.03.2020 | Schweiz | Kreditgarantien und Zuschüsse für Unternehmen 40 Mrd CHF | - | 41,7 | |
30.03.2020 | Singapur | Lockerung der Geldpolitik | - | - | |
16.03.2020 | Spanien | Verbot von Leerverkäufen | - | - | |
17.03.2020 | Spanien | Hilfsprogramm | - | 220,0 | |
19.03.2020 | Südafrika | Zinssenkung von 9,75% auf 8,75% (Prime) und 6,25% auf 5,25% (Repo) | -1,00 % | - | - |
19.03.2020 | Südkorea | Soforthilfen für Kleinunternehmer | - | - | |
30.03.2020 | Südkorea | Hilfszahlungen für Unternehmen | - | - | |
20.03.2020 | Taiwan | Zinssenkung Diskontsatz von 1,375% auf 1,125% | -0,20 % | - | - |
19.02.2020 | Türkei | Zinssenkung von 11,25% auf 10,75% | -0,50 % | - | - |
03.03.2020 | USA | Zinssenkung von 1,5-1,75% auf 1,0-1,25% | -0,50 % | - | - |
10.03.2020 | USA | Lohnsteuersenkungen | 300,0 | - | |
15.03.2020 | USA | Zinssenkung von 1,00-1,25% auf 0,00-0,25% | -1,00 % | - | - |
15.03.2020 | USA | zusätzliche SWAP Deals | - | 700,0 | |
17.03.2020 | USA | Planung: 850 Mrd. Euro Hilfsprogramm | 850,0 | - | |
17.03.2020 | USA | Planung: 1.000 Dollar für jeden Amerikaner | 327,2 | - | |
18.03.2020 | USA | Hilfe für Steuerzahler | 500,0 | - | |
22.03.2020 | USA | Unterstützung der Wirtschaft | 4.000,0 | - | |
23.03.2020 | USA | FED kauf auch Unternehmensanleihen und Verbraucherkredite | - | - | |
23.03.2020 | USA | FED Kaufprogramm für 500 Mrd. Staats- u. 200 Mrd. Hypothekenanleihen | 700,0 | - | |
30.03.2020 | USA | Unterstützung der Volkswirtschaft | - | 2.200,0 | |
31.03.2020 | USA | Infrastrukturprogramm | 2.000,0 | - | |
03.03.2020 | Weltbank | Soforthilfe | - | 12,0 | |
23.03.2020 | Weltbank | Hilfe für Entwicklungsländer | 150,0 | - |
18 Zinssenkungen, ganz viele Forderungen und Planungen, aber – und das ist das eigentlich Wichtige aus dieser Liste – auch eine ganze Reihe an bereits beschlossenen Maßnahmen.
Umgerechnet in US Dollar beträgt die Summe dieser Maßnahmen über 6,7 Billionen US-Dollar! Bei einem weltweiten BIP von ca. 86,6 Billionen US-Dollar bedeutet das, dass die bereits beschlossenen Maßnahmen so groß sind, wie 7,74% der weltweiten Wirtschaftsleistung. Und dabei sind noch nicht einmal alle weltweiten Maßnahmen von uns erfasst!
Die meisten dieser Maßnahmen sind Sofort- und Notfallmaßnahmen. Es ist stark anzunehmen, dass auf diese Maßnahmen in den nächsten Wochen und Monaten noch (viel größere!) Konjunkturpakete folgen werden. In dieser Summe sind übrigens keinerlei Effekte durch die globale Absenkung des Zinsniveaus berücksichtigt!
Und genau hier stellt sich nun die Frage, wie es weitergeht. Sehen wir mit dem Corona-Virus den »Anfang vom Ende« oder sehen wir eine »Einmalige Kaufchance« ?
Die beiden Szenarien möchten wir kurz beleuchten.
»Anfang vom Ende«
Argumente für das Szenario »Anfang vom Ende«:
- Eine Baisse an den Börsen dauert mehrere Monate oder Jahre – und nicht nur ein paar Tage – folglich wird der bisherige Kursverfall nur der erste Einschlag gewesen sein, weitere Einschläge folgen. Auch aus Sicht des Sentiments – also der Analyse der Stimmung der Marktteilnehmer – ergeben sich immer mehrere Einschläge hintereinander, die in einer Kapitulation der Marktteilnehmer enden. Davon sind wir demnach noch weit entfernt.
- Die »Falltiefe« ist in einer ausgeprägten Baisse eher im Bereich -50% bis -90% und nicht nur im Bereich von -30% bis -40% wie aktuell.
- Die volkswirtschaftlichen Daten und Unternehmenszahlen, die in den nächsten Wochen und Monaten berichtet werden, werden absolut katastrophal sein.
- Dividenden werden gekürzt oder sie werden komplett ausfallen.
- Die vielen wirtschafts- und fiskalpolitischen Maßnahmen sind schön und gut, aber wenn Angebot und Nachfrage gleichzeitig stocken, kann man auch nicht mit noch so viel billigem Geld künstlich die Wirtschaft wiederbeleben.
- Vielmehr ist zu befürchten, dass das Schuldenniveau der Länder, die diese Maßnahmen jetzt in Angriff nehmen (also quasi aller Länder), derart massiv ansteigt, dass niemals mehr an gesunde Staatshaushalte oder gar Schuldenrückführungen zu denken ist.
- Staatsbankrotte und Bankenpleiten sind die einzig logische Schlussfolgerung durch die neuen, riesigen Kreditberge von denen viele nicht einzubringen sein werden.
- Selbst wenn das Corona-Virus schneller als erwartet überwunden werden könnte, sind die Konsumenten durch diese Ereignisse wohl auf Wochen und Monate wie gelähmt. Eine Rückkehr zum normalen Leben wird auch eine lange Zeit brauchen. Das werden viele Unternehmen nicht überstehen, selbst wenn die Welt vom Virus befreit ist.
- Die Massenarbeitslosigkeit wird viele Jahre anhalten.
- Hinzu kommt eine zusätzliche Verarmung eines Großteils der Bevölkerung und ein völliges Ausbluten des Mittelstandes.
- Großunternehmen werden fast zur Gänze verstaatlicht werden müssen.
»Einmalige Kaufchance«
Argumente für das Szenario »Einmalige Kaufchance«:
- Der massivste, schnellste und dramatischste Kursverfall der Börsengeschichte liegt unmittelbar hinter uns. Egal mit welchen Kategorien und Kennzahlen man misst, man kommt immer zu sehr extremen Ergebnissen – oftmals auf absolut historischen Niveaus. Das allein legt bereits den Schluss nahe, dass das Schlimmste bereits hinter uns liegt und alles was jetzt kommt, nur noch »Nachwehen« sind. Neue Tiefstkurse sind in den nächsten Wochen und Monaten nochmals möglich, aber kaum mehr zu erwarten. Sollte es tiefere Kurse geben, muss man diese sofort nutzen, um massiv nachzukaufen.
- In der Geschichte der Börsen gab es schon öfter auch Bärenmärkte, deren Ausprägung nur relativ klein und kurz waren. Im Nachhinein gerieten die meisten dieser Phasen aber in Vergessenheit. Gut möglich, dass wir in einigen Jahren den Corona-Schock in den Börsenkursen genauso »niedlich« finden, wie heutzutage den 87er Börsencrash.
- Die Panik hat nicht nur an den Aktienmärkten stattgefunden, man hat sie auch bei Unternehmensanleihen, Staatsanleihen und Rohstoffen betrachten können. Es war ein Ausverkauf auf breiter und globaler Ebene – was einer finalen Erschöpfung der Marktteilnehmer gleichkommt.
- Der Ausverkauf hat bei sehr vielen, kerngesunden Unternehmen zu derart niedrigen Aktienkursen geführt, dass man die Bewertungen oft schon als »lächerlich« bezeichnen kann. Konkrete Beispiele dürfen wir in diesem Report dafür nicht geben, weil wir uns nicht zu Einzeltiteln äußern dürfen, aber es gibt tatsächlich sehr, sehr viele Beispiele!
- Vor schlechten Unternehmenszahlen muss man keine Angst mehr haben. Angst und Panik an den Märkten liegen hinter uns. Absolut niemand erwartet aktuell auch nur irgendetwas Positives von den Unternehmenszahlen. Genau diese negative Erwartungshaltung bietet viel Platz für Überraschungen. So hat eine große, deutsche Fluggesellschaft im März ihren Quartalsbericht für Q4 2019 veröffentlicht und zeitgleich angekündigt nahezu alle Flüge zu streichen. Die Aktie ist seit dieser Ankündigung nicht mehr gefallen, sondern sogar gestiegen. Das ist ein sehr gutes Beispiel für die aktuell extrem negativen Erwartungen.
- 6,77 Bio. US Dollar fließen neu in die globale Wirtschaft. Vieles davon fließt tatsächlich in die Wirtschaft, vieles aber auch »nur« in die Finanzwirtschaft.
- Das Geld, das in die Volkswirtschaft fließt, wird die negativen Effekte zunächst abmildern. Sobald ein Ende der Krise absehbar ist, ist damit sichergestellt, dass es zu enormen Nachholeffekten kommen wird. Zwar wird nicht alles nachgeholt werden können, aber doch sehr vieles. Da die Unternehmen durch diese Gelder überleben können und die Kurzarbeitermodelle dafür sorgen, dass die Angestellten dann »auf Knopfdruck« zurück kommen, wird die Folge der Krise ein nie dagewesener Boom auf globaler Ebene binnen kürzester Zeit entstehen.
- Das viele Geld, das in die Finanzwirtschaft fließt, muss ja irgendwo hin. Soll es in einem jetzt auch globalen Nullzinsumfeld seinen Weg in Staatsanleihen finden? Oder wird nicht doch eher nach fair bewerteten Unternehmen mit krisensicheren Geschäftsmodellen und ansprechenden Bilanzen Ausschau gehalten?
- Das absolute Schuldenniveau der Staaten spielt am Ende keine Rolle. Das beste Beispiel ist Japan – hier ist die Staatsverschuldung im internationalen Vergleich absolut astronomisch – und trotzdem geht es seit Jahren, bzw. sogar seit Jahrzehnten immer weiter. Die Schuldentragfähigkeit ist bei 0% Zinsen rechnerisch sogar unendlich hoch.
- Auch die Vertrauensfrage in die Staaten wird sich aufgrund der Krise nicht stellen. Die Krise wurde durch ein Virus verursacht und trifft die meisten Staaten auf ähnliche Weise. Da gibt es keinen Besseren oder Schlechteren – allen geht es gleich schlecht – was zu einer Erhöhung der Schuldenquoten bei allen führt.
- Betrachtet man die Börsengeschichte, so ist sie voll von Paniken, Angst, Hysterie und Weltuntergangsstimmung. Der beste Beleg, dass dem nicht so ist, sind die Börsen selbst. Sie haben alle Paniken überlebt und sind in Summe doch immer weiter gestiegen. Auf Sicht von einigen Monaten und Jahren, wird sich jeder grün und blau ärgern, der bei diesen Kursen nicht gekauft oder sogar verkauft hat.
Wie sollte man sich jetzt positionieren?
Grundsätzlich soll jeder seine Kapitalanlagen so ausrichten, dass sie zu einem selbst passen. Wir betreuen Kunden aus allen »Lagern«. Es gibt sowohl Kunden, die eine Finanzapokalypse auf uns zukommen sehen, als auch Kunden, die extrem optimistisch sind. Logischerweise können und wollen wir hier niemandem unsere Meinung aufzwingen, sondern beraten im Rahmen dessen, was jeweils zu den Erwartungen und Ängsten passt.
Die »Apokalyptiker-Depots« bestehen somit deshalb überwiegend aus Gold, Rohstoffen, Minen, Short-Fonds oder Fonds von »Crash-Propheten«. Die Depots der extremen Optimisten, bestehen natürlich zu 100% aus Aktien – und hier meist und vor allem aus Technologie und Emerging Markets.
Die Mehrheit der Kunden gehört aber weder zu den Einen, noch zu den Anderen und sie hält sich auch nicht für allwissend – so wie wir uns auch nicht dafür halten. Wir können nur versuchen Positives und Negatives zu beleuchten und dann Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Chancen und Risiken sind eben selten allein anzutreffen, sondern immer in Kombination. Deswegen raten wir grundsätzlich zu einer breiten Streuung der Anlagen. Aktuell sehen wir tatsächlich sehr viele Chancen in einigen Aktiensegmenten, auf der anderen Seite sind aber vermutlich noch gar nicht alle Risiken offengelegt, die mit einer fortschreitenden Dauer des globalen Shut-Downs ans Licht kommen werden. Auch können wir nicht ausschließen, dass die Krise auf Segmente übergreift, von denen man bisher noch gar nichts in der Presse gehört hat.
Wenn die Apokalyptiker Recht haben und »die Finanz-Welt untergeht«, dann sind die schlechtesten Investments auf jeden Fall Cash, Bankguthaben, Bausparverträge und Versicherungen – ganz einfach, weil dann auch das Geldsystem als solches untergeht. Im Vergleich zu den Geldwerten werden die Sachwerte weniger dramatisch fallen.
Wenn die Optimisten recht haben, dann dürften die Preise von Sachwerten massiv anziehen – auch dann sind Geldwerte die schlechteste Option.
Wir gehen davon aus, dass wir weder das Eine, noch das Andere in jeweils vollem Umfang sehen werden. Wir werden nicht über Jahre hinaus unter Ausgangsbeschränkungen leben. Genauso wie die Politik viele Schräubchen hat, an denen sie drehen werden muss, so wird das auch in der Wirtschaft geschehen. Ein Teil läuft über HomeOffice, ein anderer Teil vor Ort, ein Teil über Abbau von unrentablen Bereichen, ein nächster über Erhöhung der Effizienz. Die Staaten werden sich natürlich neu verschulden, aber es wird zumindest für die nächsten Monate und wahrscheinlich auch Jahre »Lösungen« geben, wie man mit diesen neuen Schulden umgeht. Helikoptergeld für Bürger – warum nicht auch für Staaten? Nullzins-Anleihen mit ewiger Laufzeit – solange die Bürger das Vertrauen nicht verlieren, ist hier noch sehr viel Potential.
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, wir finden keinen Grund massiv von unserer Philosophie abzuweichen. Natürlich gibt es einige Branchen und Segmente, die wir jetzt mehr oder weniger stark favorisieren als vorher, aber grundsätzlich bleiben wir bei der Empfehlung, die Assets breit zu streuen – Aktien, Anleihen, Immobilien, Gold. Genau wie auch im letzten Report.
Die grundsätzlichen Anlageempfehlungen ändern sich nicht. Wir tendieren dazu bei Schwäche nachzukaufen, wenn freies Cash bei den Kunden vorhanden ist.
Da wir sehr viel positives Feedback zu der Liste mit der Entwicklung der Fonds im Vergleich zu internationalen Indizes bekommen haben, haben wir sie diesmal noch deutlich ausgebaut und verfeinert.
Im Anhang finden Sie nun jeweils eine Liste von Fonds, die deutlich mehr als 90% aller von uns betreuten Kundengelder ausmachen (grün) im Vergleich zu einer Reihe an Aktienindizes, sowie dem Maßstab für deutsche Bundesanleihen (Bund Future).
Diesmal haben wir vier verschiedene Tabellen für Sie zusammengestellt. Mit diesen vier verschiedenen Tabellen bekommen Sie einen breiten Überblick über die absolute Entwicklung, die Entwicklung der Titel in der Phase des Ausverkaufs und auch über die Entwicklung seit dem bisherigen Tiefpunkt an den Märkten.
Sie sehen jeweils die gleichen Titel – nach unterschiedlichen Faktoren sortiert.
Tabelle 1 zeigt die Entwicklung im ersten Quartal 2020:
Tabelle 2 zeigt die Entwicklung vom 18.02.20 (bei den meisten Titeln der Hochpunkt im aktuellen Jahr) bis zum aktuellen Datum (bei den meisten Titeln der 08.04. oder der 09.04.):
Tabelle 3 zeigt den maximalen Rückgang der Titel von einem Hochpunkt bis zum Tiefpunkt (in diesem Jahr):
Tabelle 4 zeigt den maximalen Anstieg von einem Tiefpunkt (in diesem Jahr):