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Bulle und Bär

Rückblick auf die Edelmetallmesse in München

und Interview mit Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank

Volker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank

Volker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank

Am 02. und 03. November fand in München die alljährliche Edelmetallmesse statt. Ich habe die Messe besucht und mir eine Vielzahl von Vorträgen angehört und viele Gespräche geführt. Ein paar Highlights und Kernaussagen möchte ich nachfolgend herausstellen.

Viele der Vorträge hatten deutliche Überschneidungen: Schuldenberge wurden an die Wand geworfen; es wurde betont, dass es keine vernünftige Lösungen mehr zum Abtragen der Selbigen mehr gäbe. Neue Schulden machten das Problem nur noch größer. Am Ende stehen Inflation, Schuldenschnitte und Währungsreformen.

Die »österreichische Schule der Nationalökonomie« wurde in vielen Vorträgen gelobt und teils ausführlich erklärt.

Sehr auffallend war, dass jeder Referent der sich irgendwie mit dem Thema Schuldenkrise befasste die Auffassung vertreten hat, dass Frankreich – und hier vor allem der private Immobilienmarkt – die Achillesferse für den Euro ist und dass sich leider aktuell die Situation in Frankreich rapide verschlechtert. Selbst die (wenigen) optimistischen Redner haben diese Entwicklung betont.

All diese Themen waren nun wirklich nicht neu. In den Schlussfolgerungen gab es deutliche Unterschiede. Während manche Redner die Aktie als das einzig wahre Vehikel für Kapitalschutz und -erhalt während der auf uns zukommenden Phase auserkoren haben, gab es andere, die genau die Aktie als das gefährlichste Vehikel einschätzten. Die Mehrheit der Redner bevorzugte Gold als letzte Rettung – was auf einer Edelmetallmesse auch nicht sonderlich überraschend scheint. Die Themen und Darstellungen der meisten Vorträge waren also durchaus genau so zu erwarten. Unterschiedliche Interpretationen und Prognosen mögen einige Zuhörer vielleicht als verwirrend empfunden haben. Letzten Endes macht aber genau das die Kapitalmärkte und Börsen aus. Auf der gleichen Daten- und Informationsgrundlage kommt der eine zu dem Schluss, dass er etwas kaufen will und der andere, dass er Selbiges verkaufen muss. Das Treiben an den Aktienbörsen ist nun mal keine genau Wissenschaft und DEN EINEN richtigen Weg gibt es nicht.
Auf youtube.com gibt es zahlreiche Videos von der Messe. So hat Jochen Stanzl eine Reihe von Referenten interviewt – unter anderem Gerald Celente, Professor Bocker, Frank Meyer und Thorsten Polleit. https://www.youtube.com/user/jochenstanzl

Gerald Celente

Der Vortrag von Gerald Celente vom Trend Research Institute (http://www.trendsresearch.com/index.php) dürfte einer der am besten besuchten Vorträge gewesen sein. Der Vortrag war auch erstklassig und allein wegen diesem Vortrag hat sich der Besuch der Edelmetallmesse bereits gelohnt.

Celente der aus einer italienischen Einwanderfamilie stammt, betonte wiederholt wie es eben jene Einwanderer waren die durch jahrelange Entbehrungen und Arbeit die USA zu Größe, Wohlstand und weltweiter Anerkennung gebracht haben. Mit diversen Fotos und Musikclips von Arbeitern und Künstlern aus den 1900er Jahren belegte er wie geistreich, charismatisch, zielstrebig, akkurat und ehrenhaft die Personen und die Kultur in den USA waren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Im krassen Gegensatz dazu führte er  Bilder und Musikclips der heutigen Zeit vor, die eindrucksvoll vermittelten auf welchem Niveau heute breite Teile der Gesellschaft angekommen sind. Für den Betrachter des Vortrags mag das in der Tat eine kleine Schocktherapie gewesen sein.

Die verrohten Sitten beschränken sich jedoch nicht nur auf eine bestimmte gesellschaftliche Unterschicht oder Randgruppe. Celente holte zu einem Rundumschlag aus und prangerte aktuelle und ehemalige Politiker an. Bush, Obama, Juncker, Berlusconi, Draghi und Putin waren nur eine kleine Auswahl an Akteuren, deren Zitate und Taten Celente in diesem Kontext eindrucksvoll vorführte. Er rundete seine scharfen Äußerungen ab mit Zahlen zu Gefängnisinsassen, Arbeitslosen, der Geldpolitik, getöteten Zivilisten in »Befreiungskriegen« und der inzwischen nahezu unglaublichen Einkommensscheere in den entwickelten Ländern. Für Celente hängen die dahin bröckelnde Wirtschaft, die verantwortungslose Geldpolitik, die militärische Aggression und die Verabschiedung von jeglicher Moral eng miteinander zusammen.
Für Celente ist die Verrohung der Sitten und die völlig weggebrochene Moral auch in der Spitze der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Führung ein Grund dafür zu behaupten, dass die Welt sich auf einem destruktiven Kurs befindet. Er mahnte mehrmals, dass es zu großen militärischen Auseinandersetzungen kommen wird, wenn sich die Individuen nicht sehr schnell und grundsätzlich zum Besseren ändern sollten. Für Celente hat der dritte Weltkrieg bereits längst begonnen.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass Celente kein Spinner oder Trittbrettfahrer ist. Bereits vor über einem Jahrzehnt hat Celente immer wieder vor den aktuellen Entwicklungen gewarnt. Celente kann inzwischen auf mehr als 30 Jahre langfristiger Trendprognosen verweisen, die sich nicht auf Wirtschaft und Börse beschränken. Vor allem gesellschaftliche Phänomene und die Ereignisse daraus hat er wiederholt richtig prognostiziert.

Das »Geheimnis« seiner Zukunftsprognosen beschreibt Celente als relativ einfach: Um zu erfahren wohin die Entwicklungen gehen, muss man lediglich untersuchen wo man sich heute befindet und wie man dahin gekommen ist.

Folker Hellmeyer

Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank genießt inzwischen durchaus Popularität. Dieser Umstand ist zwar positiv, doch wer seine Arbeit schon länger kennt, der hätte sich diese Popularität bereits vor vielen Jahren für Herrn Hellmeyer gewünscht. Der Vortrag von Herrn Hellmeyer war ähnlich gut besucht wie der Vortrag von Herrn Celente – der Saal war rappelvoll.

Wer einen ruhigen, lockeren und aufgrund des an die Wand geworfenen Zahlenmaterials langweiligen Vortrag erwartet hatte, der war auf dem Holzweg.

Hellmeyer schritt zum Rednerpult, entledigte sich erst mal seines Sakkos, lockerte die Krawatte und krempelte die Ärmel hoch. Vermutlich hat er bereits in dem einen oder anderen Gesprächen vor seinem Vortrag heftige Diskussionen gehabt. Zumindest hinterließ er diesen Eindruck. Er war aufgebracht, teils zornig und schien sich teilweise selbst beruhigen zu müssen. So aufgedreht habe ich ihn noch nie gesehen!
Er legte in seinem Vortrag dann auch direkt los: Er tadelte die gleichgeschaltete Presse in Europa, die immer die bewusst falschen Darstellungen der Situation in Europa von den angelsächsischen Medien übernimmt. Die Worte »Finanzkrieg« und »Medienmanipulation« kamen relativ oft in seinem Vortrag vor.
Die Presseberichterstattung sei absolut einseitig auf Europa ausgerichtet und berichtet hier ausschließlich Schlechtes, obwohl es soviel positives zu berichten gäbe. Einher gehe diese Berichterstattung mit skandalösen Ratingergebnissen und Spekulationen über Kreditderivate mit dem Effekt, dass ganze Volkswirtschaften zusammenbrechen – nur um eine kleine, mafiös organisierte Elite aus Politik und Finanzen zu bereichern.

Er bewies mit vielen Zahlen, dass sich die Situation in Europa auf dem Weg der deutlichen Besserung befindet, während die USA, UK und Japan »das Wort Reform noch nicht einmal buchstabieren können«. Zwar sei die Lage vor allem in Südeuropa immer noch prekär, jedoch gäbe es viele Reformerfolge zu verzeichnen, die struktureller Art sind und damit langfristiges Potentialwachstum schaffen. Konterkariert werden die Erfolge zugegebenermaßen jedoch nicht nur durch die angelsächsische Presse, sondern vermehrt auch durch ein Gerangel von Zuständigkeiten, Maßnahmen und Vorschlägen der einzelnen politischen Teilnehmer in Europa selbst.

Ein Teil der Lösung ist für Hellmeyer der Export in den verschiedenen Ländern. Nachfolgende Tabelle stellte er mir freundlicherweise zur Verfügung:

 

In dieser Tabelle sieht man den Export in verschiedenen Ländern zwischen 2007 und 2013 in Milliarden Euro. Die Prozentzahlen im rechten Feld zeigen die prozentuale Steigerung des Exports seit dem Tiefpunkt im Jahr 2009. In dieser Grafik sieht man eindrucksvoll, dass alle Länder – auch Griechenland – im Jahr 2012 mehr exportieren, als VOR der Krise im Jahr 2007.

Mit vielen anderen Zahlen und Tabellen bestärkte er die Erfolgsmeldungen für Europa und zeigte immer wieder in Vergleichen, wie schlecht es vor allem um die USA bestellt sei.

Die Schwellenländer bezeichnete Hellmeyer in seinem Vortrag aufgrund des dortigen Vermögens, der Dynamik in den Volkswirtschaften und der Demografie als Stabilisator für die Weltwirtschaft. Einhergehend mit den strukturellen Reformen in Europa sieht Hellmeyer für die nächsten Jahre auch eine deutliche Entspannung der Krise für die kommenden Monate, einen Fortbestand der Euro-Zone und global positives Wachstum.

Einer der Zuhörer verließ den Vortrag übrigens zwischendurch und redete in sich hinein: »… den Scheiß kann ich mir nicht länger anhören ... der steht doch auf der Gehaltsliste von der Merkel ...«

Abschließend blieben für mich noch einige Fragen offen, die ich im Nachgang mit Herrn Hellmeyer abgeklärt habe:

1. Ist es nicht schon viel zu spät für Reformen? Hat Europa – auch vor dem Hinblick der Demografie und Sättigung überhaupt noch das Potential in Zukunft stärker zu wachsen als die Schuldenberge? Können wir nur durch Reformen das Problem in den Griff bekommen oder fordern Sie eine Kombination von Reformen und weiteren Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt, wie einem europäischen Haircut oder ähnliches? Was ist der Exit aus den ganzen Maßnahmen und neuen Schulden?

Die Gesamtverschuldung der Eurozone beträgt 90% vom BIP; das ist noch tragbar; Problem ist durch Reformpolitik zu bewältigen; Potentialwachstum steigt durch Reformen; mit einer konjunkturellen Verbesserung werden die Fiskaleinnahmen sich deutlich besser darstellen; Drei große amerikanische Konzerne wollen in Griechenland investieren – diese Information ist brandaktuell (19.11.2012) und muss noch verifiziert werden. Das wäre jedoch ein erster, sichtbarer Erfolg; Inflation wird eine Rolle spielen, Finanzielle Repression wird (nahezu global) weiter anhalten; auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung sind die Schuldenberge noch bezahlbar; Mittelstand wird mittelfristig wieder wachsen, weil sich die Globalisierung mittels Verlagerung von Arbeit und Boden weitgehend erschöpft hat.

2. Deutschland hat mehrfach von der aktuellen Misere profitiert. Niedrige Zinsen für Staat und Wirtschaft, niedriger Eurokurs, Fluchtkapital und vieles mehr sind die Gründe dafür. Werden aber dadurch aktuell nicht auch Investitionen fehlgeleitet? Wenn der Mittelstand heute aufgrund der positiven Situation und Aussichten (kreditfinanziert) expandiert, läuft er dann nicht in Gefahr vor massiven Ausfällen in der Zukunft? Sollte es in den anderen Euroländern deutlich aufwärts gehen, kommt massive innereuropäische Konkurrenz auf, die Zinsen werden irgendwann auch bei uns steigen und Fluchtkapital wird zurückgeholt!? Sollte es sogar weiter abwärts gehen und Deutschland würde mit in den Strudel gerissen, dann entpuppt sich die aktuelle Sonderkonjunktur eben auch als nur eine Solche.

Steht am Ende nicht auf jeden Fall eine Rückkehr zur Normalität, die den vorübergehenden Nutzen einer Sonderkonjunktur in ein anderes Licht werfen? Gilt in diesem Zusammenhang nicht der Spruch »There is no free lunch« – Müssen wir also später die Sonderkonjunktur nicht wieder bezahlen?
Deutschland hat temporär eine große Europa-Dividenden erhalten; die Untersättigung (Nachfrage, Lager- und Investitionsgüterzyklus) der meisten Märkte wird bei aufkommendem Wachstum die beschriebenen Effekte ausgleichen. Die Entwicklung in Deutschland hat demnach Bestand und ist nachhaltig.

3. Ist unser ungedecktes Zinses-Zins-System nicht mit ein Hauptgrund für die aktuelle Misere? Schließlich erlaubt ein Zinses-Zins-System überhaupt keine Entschuldung ohne dass es zu massiven Vermögensverlusten oder eben zu einer Rezession kommt. Kann man die Misere nicht nur dann lösen, wenn man das Geldsystem an sich reformiert?

Auch ein Zinseszinssystem erlaubt Entschuldung, wenn eine Reformfähigkeit nicht gegeben ist. Siehe Griechenland. Außerdem werden der Zinses-Zins-Effekt durch Inflation und Finanzielle Repression in den nächsten Jahren ausgeglichen. Diese Maßnahmen sind geeignet das Geldsystem als solches zu schützen. Ob das richtig oder falsch ist, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch steht das westlichen System vor massiven Veränderungen hin zu einer globaleren Lösung. Politische Preise werden weiterhin eine Rolle spielen. Grenznutzen einer kompletten Geld-System-Reform sind aktuell nicht gegeben, wirtschaftliche und politische Risiken sind zu groß. Insofern macht eine solche, tiefgreifende Reform derzeit keinen Sinn.

4. Sie kritisieren, dass das Bankensystem ein Oligopol ist und eine Marktwirtschaft ein Polypol erfordert. Ist nicht das Geldsystem bei uns ein staatliches Monopol und würde ein freier Geldmarkt – wie es zum Beispiel Herr Tofall (http://www.libinst.ch/publikationen/LI-Paper-Schaeffler-Tofall-Geldordnung.pdf) fordert – nicht eine deutlich bessere Alternative sein?

Siehe Frage drei; in einer instabile Lage sind revolutionäre Veränderungen nicht auf der Agenda. Ein Geldsystem ist immer auch ein Ausdruck eines Machtsystems. Ein freier Geldmarkt ist spieltheoretisch attraktiv. Da wir aber gerade die größte Machtachsenverschiebung seit dem zweiten Weltkrieg haben, ist eine Veränderung nicht opportun. Man muss jetzt die Fehler untersuchen und bereinigen, die in der Vergangenheit gemacht.