Diese Webseite verwendet Cookies zur Erfassung statistischer Nutzungsdaten.
Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Bulle und Bär

Interview mit Prof. Dr. Max Otte

über Märkte, Politik, Persönliches, Fonds und Positionierung

Nachfolgendes Interview haben wir im Vorfeld unserer Informationsveranstaltungen mit Prof. Dr. Max Otte geführt.
Zur Ergänzung ist zudem ein aktuelles Interview mit ihm aus dem Anlegermagazin »Smart Investor«, welches in der Mai-Ausgabe erschienen ist, beigefügt – wir wollten Doppel-Fragen vermeiden. Mit freundlicher Genehmigung von Ralf Flierl, Chefredakteur des Smart Investor.

Märkte und Politik

Negative Zinsen, Bargeldverbot, Helikopter-Geld, Überwachungsstaat, Steueroasen, Crack-Up-Boom, Inflation, Deflation, Flüchtlinge, unfaire Vermögensverteilung, Schuldenblase, BitCoins, Euro-Zerfall, TTIP, Demographischer Wandel, bzw. Abstieg, Terrorismus und Kriege – es gibt viele heiß diskutierte Themen im Moment. Welche Themen beschäftigen Sie persönlich am meisten?

Mich beschäftigt tatsächlich der Megatrend am meisten, dass wir von der Marktwirtschaft immer mehr in eine Machtwirtschaft, in eine Zentralverwaltungswirtschaft, in eine Staatswirtschaft rutschen. Ich hätte das nie im Westen für möglich gehalten. Aber mit der Bargeldverdrängung  und vielen anderen Regeln wie den Negativzinsen kommen wir da hin. Dies alles ist vor dem Hintergrund sich verschärfender globaler Spannungen und einer sehr aggressiven Politik der USA und ihrer europäischen Vasallen gegenüber Russland zu sehen.

Welche Themen werden Ihrer Meinung nach die Finanzmärkte in den nächsten Monaten und Jahren am meisten beschäftigen? Wo liegen große Risiken? Welche Entwicklungen halten Sie für unvermeidbar? Welche Chancen ergeben sich aus diesen Themen?

Die größten Risiken in den nächsten Jahren sind für mich die Enteignung der Geldvermögensbesitze, also alle diejenigen, die Rentenförderungen, Bankguthaben oder Anleihen haben. Es gibt zu viel Geldförderung auf der Welt, hier ist eine Abwertung, ein Schuldenschnitt oder eine neue Organisation unvermeidlich. Im Umkehrschluss heißt das, dass sie vor allem in Sachwerte investieren sollten, allerdings bedeuten Sachwerte Sachverstand.

Gibt es heiß diskutierte Themen, die in Ihren Augen irrelevant sind und somit zu Unrecht im Rampenlicht stehen?

MO: Es gibt immer heiße Themen die irrelevant sind, aber breit diskutiert werden. Vor einigen Jahren war das die Panik um SARS oder Vogelgrippe usw. Jetzt waren es leider z.B. die angeblichen Skandale um die Fifa oder um Franz Beckenbauer. Damit wird die Bevölkerung unterhalten, während die gefährlichen Dinge weiterlaufen.

Wer oder was ist schlimmer (und warum)? Politiker – Notenbanker – Konzern-Manager – Banker

Alle vier Gruppen sind letztendlich angestellte Technokraten oder Bürokraten des Systems. Da nehme ich auch gerade die Politiker nicht aus. Letztlich gehören sie für mich alle zur Gruppe der Apparatschiks, wenn man es ganz hart sagen sollte, die das System so an seine Grenze gebracht haben und die es nicht retten können. Ich hoffe nur, dass mittelständische Unternehmer und Bürgerinnen und Bürger irgendwo ein Gegengewicht darstellen können.

Wer hat Schuld an den Problemen der heutigen Zeit? Zu viel Staat? Zu wenig Staat? Zu hohe Steuern? Zu niedrige Steuern? Die Gier (von wem?)? Der böse Kapitalismus?

Es hat sicherlich nicht Schuld DER Kapitalismus, aber der Finanzkapitalismus läuft in die falsche Richtung. Es gibt einfach zu viel Geld auf der Welt. Es gibt, wie es auch Daniel Stelter sagt, zu viele unproduktive Kredite. Das müsste man regulieren. Man müsste den Finanzsektor schrumpfen. Aber da der Finanzsektor mit seiner enormen Lobbymacht überall drin hängt, hat er die Politik gekapert, wie es Simon Johnson, der ehemalige Chefvolkswirt des IWF, sagt. Von daher werden wir auf eine ganze Zeit nicht aus den Problemen rauskommen.

Welche Krisen und Probleme halten Sie für lösbar? Wo sollen die Staaten eingreifen, wo sollen sie sich raushalten?

Im Moment kann ich den Staaten nur sehr viel Ruhe wünschen. Ich hoffe, dass bald eine Strategie des Friedens  und der Kooperation gegenüber Russland gefahren wird. Die Staaten sollten auch Insolvenzen zulassen. Sie sollten mit einer Neuordnung des Finanzsystems beginnen. Dies tun sie derzeit nicht, weil sie durch Billiggeld und Niedrigzinsen das Unvermeidliche hinauszögern.

Persönlich / Beruflich

Sie sind Professor, Autor, Analyst, Vortragsredner, Fondsmanager, stehen regelmäßig im Blickpunkt der Medien, schreiben einen Börsenbrief und sind nebenbei noch Familienvater. Wie schaffen Sie es, das alles zeitlich und organisatorisch unter einen Hut zu bekommen?

Mal schaffe ich es organisatorisch besser, manchmal weniger gut. Das wichtigste ist es, ein gutes Team aufzubauen. Hier investiere ich die meiste Zeit – und hier gibt es leider auch die meisten Fehlschläge. Aber es bleiben immer noch genug tolle Leute übrig, die mich unterstützen. Und natürlich muss man seine Prioritäten richtig setzen.

Fonds

Ich habe den Eindruck, dass Ihnen das Wohl des »kleinen Mannes« sehr am Herzen liegt. Dieser Eindruck entsteht vor allem aus Ihren Aktivitäten zum Thema »Vermögensaufbau«. Auf der anderen Seite verwalten Sie als Fondsmanager ca. 200 Millionen Euro über zwei Fonds, von denen einer sogar in Lichtenstein aufgelegt ist. Das sieht eher nach Großkapital, als nach »kleinem Mann« aus. Steckt hier nicht ein Widerspruch?

Natürlich liegt mir das Wohl des Deutschen Sparers extrem am Herzen. Meine beiden Investmentfonds sind UCITS IV Fonds, also normale Anlagefonds, die den höchsten regulatorischen Vorschriften unterliegen. Sie können diese Fonds täglich bei den Banken kaufen oder wieder abgeben. Fonds sind generell Sondervermögen und investieren in Wertpapiere. Wir investieren nur in Wertpapiere nach dem Reinheitsgebot, also Aktien, Anleihen und Liquidität. Wir machen keinerlei Derivate oder Zockereien.
In Liechtenstein waren zum Zeitpunkt der Auflage im Jahr 2008 die Kosten einfach geringer. Wir sind mit 3 Millionen Euro gestartet. Liechtenstein ist außerdem Teil des EU- Wirtschaftsraumes und unterliegt den höchsten regulatorischen Standards. Der schlechte Ruf von damals ist lange passé. Die neuen Steueroasen sind in den USA. Wollte ich mich um Großanleger kümmern, dann würde ich eher Private Equity machen oder Hedgefonds und eben nicht Publikumsfonds für alle, die man ab gut 100 Euro pro Anteil erwerben kann.

Fondspeformance

Seit Herbst 2014 schwächelt Ihr Max Otte Vermögensbildungsfonds im Verhältnis zum Gesamtmarkt. Der erzielte Mehrertrag wurde komplett wieder abgegeben. Seit Auflage im Jahr 2013 hat der Fonds quasi keinen nennenswerten Ertrag geliefert, während der weltweite Aktienindex MSCI Welt auf Eurobasis über 30% zulegen konnte und auch der europäische Aktienmarkt rund 20% im Plus liegt.
Was sind die zwei Hauptgründe für diese deutliche Negativ-Tendenz?

Nach einem extrem guten Start hat der Max Otte Vermögensbildungsfonds tatsächlich underperformed. Dies lag daran, dass wir im Jahr 2014 relativ viele europäische Werte und relativ viele Rohstoffwerte im Fonds hatten. Es lief aber Amerika und auch die Klassiker liefen weiter.  Im Laufe der letzten 18 Monate haben wir die Strategie angepasst und sind jetzt insgesamt in besonders sicheren Werten, die aber ebenfalls eine gute Langfristperformance liefern sollten, investiert. Wir haben also umgestellt in Richtung langfristig, sicher, kontinuierlich. Nehmen in Kauf, dass derzeit andere Titel besser laufen und bleiben bei dieser Strategie.

Wären die Gründe vermeidbar gewesen? Können Sie für sich und Ihre Anleger etwas daraus lernen? War es einfach nur Pech oder Zufall? Gab es einen Fehler in Ihrer Analysearbeit oder eine falsche Risikosteuerung?

Vermeidbar war vielleicht, dass wir die Rohstoffe teilweise etwas zu früh abgegeben haben. Wir haben die Umstrukturierung des Fonds zwar über ein Jahr gestreckt, aber wir hätten Sie wahrscheinlich über zwei Jahre strecken müssen.

Im Gegensatz zum Max Otte Vermögensbildungsfonds schnitt Ihr älterer Fonds »PI Global Value« deutlich besser ab. Was haben Sie dort anders gemacht?

Der PI Global Fund hat im Wesentlichen dieselben Aktien als Inhalte. Wir fahren dort aber eine kleine Beimischung an Rohstoffen oder riskanteren Werten. Es ist also der etwas sportlichere Fonds. Deswegen schneidet er im Moment etwas besser ab.

Fonds - Grundsätzliches

Wenn Sie entscheiden eine Aktie zu kaufen, gewichten Sie die Titel grundsätzlich gleich hoch? Kaufen und verkaufen Sie die Titel einmalig oder steigen Sie über einen längeren Zeitraum stufenweise in die Titel ein und aus?

Wir gewichten Titel nicht gleich hoch sondern gewichten je nach Überzeugung und  »Real Chance« und Risikoprofil. So hat z.B. die Berkshire-Aktie in einem Fonds  derzeit 8 % Gewicht.

Gibt es ein generelles Stop-Loss für jeden Titel? Bei wieviel Prozent Verlust steigen Sie aus?

Normalerweise bevorzugen wir einen schrittweisen Ein- und Ausstieg. Ein Stop-Loss machen wir gar nicht, das halte ich für die größte Möglichkeit der Geldvernichtung. Denn das heißt ja, teuer kaufen und billig verkaufen. Mit Stop-Loss beruhigt man vor allem seine Nerven, aber für die Performance ist es meistens absolut miserabel. Das hieße nämlich, prozyklisch und momentorientiert zu investieren, wir investieren aber wertorientiert.

Steuern Sie Ihre Cash-Quote aktiv? Kann es auch mal sein, dass ihr Fonds 25% oder 40% Cash aufweist?

Ja, wir steuern die Cashquote aktiv, haben aber in den letzten Jahren keinen Grund gesehen, höhere Cashquoten zu fahren. Das heißt, wir werden nur dann mehr Cash oder Anleihen haben, wenn sich die Renditen der Anleihen grundsätzlich ändern oder wenn wir nur noch wenige attraktive Aktien finden.

Wenn sich ein Titel in die falsche Richtung bewegt, was passiert dann in der Praxis? Trifft sich ein Ausschuß und fängt an zu diskutieren, wird der Titel automatisch verkauft (Stop-Loss), wird der Titel zugekauft (was vorher Value war, bietet nach 20% Verlust noch mehr Value), wird die Analyse neu gestartet?

Normalerweise kaufen wir nach, wenn ein Titel in die falsche Richtung läuft. Dies ist auch Basis meiner durchaus sportlichen Strategie. Stop-Loss machen wir nicht. Wir verkaufen einen Titel, wenn er den fairen Wert erreicht oder überstiegen hat, wobei verkaufen schwieriger ist als kaufen.

Aktuelle Positionierung

Aktuell investieren Sie im Max Otte Vermögensbildungsfonds schwerpunktmäßig in Konsumgüter und Technologie. Regional liegen die Schwerpunkte in Deutschland, USA und Frankreich. Sind diese Schwerpunkte ein zufälliges Ergebnis aus Ihren Unternehmensanalysen oder haben Sie besondere Gründe, dass Sie speziell diese Schwerpunkte ausgebaut haben?

Wir haben, wie gesagt, ab Sommer 2014 einen Strategiewechsel durchgeführt und glauben, dass wir insgesamt mit den Langläufern und Dauerläufern unter den Aktien mit solidem Geschäftsmodell und wenig Kapitalbedarf besser dastehen werden und auch dass dies besser für die Privatanleger ist.
Die regionalen Schwerpunkte sind normalerwiese ein Zufall, denn die meisten Unternehmen sind global aktiv.

Auffallend ist auch, dass Sie mit knapp 20% verschiedene Sparten von Finanzinstituten stark gewichtet haben. Stehen Banken und Versicherungen angesichts von negativen Zinsen, Fintechs und Regulierung nicht vor enormen Problemen – oder ist das schon in den Kursen drin? Viele Value-Manager lassen die Finger von Bankaktien, weil sie der Meinung sind, dass man deren Bilanzen sowieso nicht seriös bewerten könne. Wir bewerten Sie solche Institute?

Die 20 % Gewichtung bei Finanzinstituten täuscht optisch, denn z.B. die 8 % von Berkshire werden hier eingerechnet.  Das ist aber ein Mischkonzern. Berkshire ist bei manchen noch als Versicherung geführt. Es geht ein Grenke Leasing, ein Top-Unternehmen, es geht ein Motoi online, ein top inhabergeführtes Unternehmen. Dies sind Finanzdienstleister, die aber nichts mit normalen Banken zu tun haben. Dort haben wir eigentlich nur die Svenska Handelsbanken.

Sie halten aktuell einen höheren Anteil in griechischen Aktien, als in britischen oder japanischen Aktien. Was für Titel sind das? Gibt es tatsächlich in Griechenland mehr interessantere Titel als in Japan oder Großbritannien?

So groß ist weder unser Anteil in griechischen Aktien als auch in japanischen Aktien. Es kommt auch ein bisschen auf den Fonds an, aber in beiden Märkten sind wir präsent.

Sie haben aktuell nur sehr wenige Aktien aus den Emerging Markets? Ist in Märkten wie Russland, Brasilien oder auch in China nach den drastischen Rückgängen und Währungseinbrüchen nicht eine Menge »Value« zu finden?

Auch in den Emerging Markets wäre Positionierung zu finden, aber mit Blick auf die Neuaufstellung des Fonds halten wir uns hier eher zurück, obwohl wir auch hier selektive Chancen wahrnehmen.
Value ist auf jeden Fall in Russland, Brasilien oder China zu finden, aber vor allem in Russland und Brasilien, allerdings benötigen Sie dazu auch eine Menge Nerven.

Gold-/Silberminen

Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie im Jahr 2014 das Segment der Gold- und Silberminen relativ hoch gewichtet und nach dem Kursverfall im Herbst 2014 weiter erhöht. Die Minen sind dann auch zunächst prächtig gestiegen, erlitten aber ab dem Frühjahr 2015 massive Rückschläge und halbierten sich bis zum Jahresanfang 2016. Meines Wissens haben Sie im Herbst 2015 die Minen dann reduziert oder komplett verkauft. Seit dem Jahresanfang 2016 hat sich das Segment nun wieder verdoppelt. Was lernen Sie aus so einer Erfahrung?

Die Erfahrung bei den Minen ist schmerzhaft, vor allem für mein Team. Hier gab es interne Diskussionen. Es lag also in der Tat daran, dass sich ein Team einspielen musste. Wir haben unterschiedliche Meinungen gehabt. Wir haben uns dann als Team dazu entschlossen, insgesamt die Strategie auf weniger zyklische Werte umzustellen und sind davon überzeugt, dass dies auch für die Zukunft richtig ist. Aber in der Tat wäre es mir persönlich lieber gewesen, wenn wir den Ausstieg über zwei bis drei weitere Jahre gestreckt hätten.

War es einfach nur Pech? War das Risikomanagement zu locker oder hätte man es noch lockerer machen müssen? Werden Sie in diesem Segment wieder kaufen oder ist die Lehre daraus, dass man Minenpreise nicht rational bewerten und noch weniger timen kann?

Es ist dann auch eine Frage des Stils. In einem persönlichen Vehikel würde ich solche Werte wahrscheinlich sofort wieder machen. In einem Anlegerfonds für Kleinanleger eher nicht.

Danke für das Interview